Text: Christian Haas

Gefühle reisen durch die Zeit

LogoChor Heidelberg und Jazzmusiker Paul Stoltze kombinierten Gesänge aus fünf Jahrhunderten mit dem Saxophon.

"Ich weiß selbst nicht genau, was uns heute erwartet." Wenn der Chorleiter so etwas bei einer Aufführung sagt, ist klar: Das wird ein besonderer Konzertabend. Der LogoChor Heidelberg setzte bei seinem Programm "Zwischen den Zeiten" auf eine ungewöhnliche Kombination. Die Sängerinnen und Sänger gaben am Sonntag (17. Januar) geistliche Lieder vom 15. bis 18. Jahrhundert zum Besten – begleitet von einem Jazz-Saxophon.

Die Idee zu dem Crossover-Projekt stammt von Chorleiter Stephan Kocheise. "Wir wollen eine Brücke schlagen, um die Melodien und Gefühle von damals in die Gegenwart zu holen. Sie können uns nachher gerne Feedback geben, ob es funktioniert hat", schmunzelte er. Doch erst einmal bewies der vierstimmige Chor, dass die geistlichen Werke auch gut für sich alleine stehen können.Die Männerstimmen eröffneten den Abend mit dem gregoreanischen Choral "Puer natus est nobis". Ähnlich einem Mönchsgesang füllten sie mit der Melodie zumbiblischen Text über die Geburt Jesu das Schiff der Pfarrkirche St. Marien. Danach brachten zwei Chorsätze das Wechselspiel aller Stimmen zur Geltung. Besonders "Taedet animam meam" vom spanischen Komponisten Tomas Luis de Victoria spornte die Sängerinnen und Sänger zu immer neuen Höhen an und Stephan Kocheise führte mit seinem Dirigat laute und leise Passagen ideal zusammen.

Der Mannheimer Saxophonist Paul Stoltze gab eine eindrucksvolle Kostprobe seines Könnens. Mit erstaunlicher Leichtigkeit improvisierte er zu Parce Mihi Domine von Cristobal Morales – ein Hauch von Jazz wehte durchs 16. Jahrhundert. Wie groß seine Virtuosität wirklich ist, bewies er zusammen mit dem Chor bei Leonard Lechners "Sprüche von Leben und Tod". In 15 Teilen reflektiert der Komponist über das Leben und seine Vergänglichkeit. "Weil denn so unstet dies Schiff der Welt geht, so lasst uns denken, wohin zu lenken", mahnte der Chor etwa das Publikum. Von Sopran bis Bass hüpfte die Melodie dabei über entsprechend wechselnde Koloraturen. Fröhliche und melancholische Passagen forderten jede Stimme immer wieder aufs Neue.

Zwischen den Teilen griff Paul Stoltze Motive auf, überlagerte und antizipierte. Mal seufzend, mal klagend, mal verspielt trällernd nutze er die gesamte emotionale Bandbreite seines Instruments. Entsprechend begeistert klang der Applaus des Publikums. Schließlich vereinten sich Gesang und Saxophon im Loblied auf die Jungfrau Maria, "Ave maris stella" von Guillaune Dufay.

Beim letzten Stück "Komm, süßer Tod" von Johann Sebastian Bach (Bearbeitung: Knut Nystedt) ließ der Chor die Harmonien im Kirchenraum verteilt erklingen. Spätestens da waren einige Zuschauer zu Tränen gerührt. Die Zeitreise der Emotionen hatte wohl funktioniert.